Tagebuch 1995
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GAMMA RAY Tourtagebuch 1995

SUMMER METAL MEETINGS 1995

Running Wild, Rage, Grave Digger, Gamma Ray, Iced Earth, Glenmore, Harrow

Mi 14-06-1995

Wir treffen uns spätestens um 20:00 am Bunker!". Als ich pünktlich um 20:30 ankomme bin ich nach Thomas immerhin der Zweite, und bleibe das auch bis 21:00. Thomas telefoniert gerade mit dem Busfahrer, der in einem Stau steckt und erst um 23:00 statt um 22:00 ankommt. Nachdem auch der Rest so langsam antanzt, packen wir das ganze benötigte Equipment ein und fahren so um 0:30 los.

Do 15-06-1995 HERNE, Eissporthalle

Großes Trara, Händegeschüttel, Umarme und Gequatsche. Fast jeder kennt jeden, oder zumindest viele. Ich freue mich besonders, Rage und Iced Earth wiederzusehen. Die Jungs um Jon Schaffer sind mal wieder mit neuem Sänger und neuem Trommler da, diesmal ist es jedoch anscheinend das homogenste der bisherigen 3 Line Ups. Die Eissporthalle besticht durch ihren beschissenen Sound, die Glaswand gegenüber der Bühne bereitet den jeweiligen Front-of-House-Mischern nicht gerade Freude. Unser Mann, Jörg Zaske, schafft es jedoch Gamma Ray den besten Sound des Abends hinzumischen. 7 Bands bedeuten unzählige gleichzeitig durch die Gegend wuselnde Crew-Mitglieder, Musiker, deren Anhang, wichtige und unwichtige Leuten im proppevollen Catering-Raum, diverse diese Tour präsentierende Rock Hard - Schreiberlinge und natürlich ein extrem hektischer Zeitplan. Running Wild haben als einzige Band einen Soundcheck, der professionell knapp und präzise durchgezogen und nicht unnötig ausgedehnt wird. Doors open um 16:00, Harrow beginnen um 16:30, während ein Großteil der Fans noch vor der Halle steht. Von Glenmore sehe ich auch nix, da die Catering-Crew gerade zu Tisch bittet. Während des Iced Earth-Gigs checke ich Dirks Anlage noch mal durch, und sehe mir die Amis von der Bühnenseite an. Die Band selbst ist ziemlich unzufrieden, ich fands klasse. Wenn der neue Sänger Matt noch ein wenig mehr Gesangs-Routine bekommt, ist dies wirklich das bisher stärkste Iced Earth- Line Up. Dann haben wir 15 min Umbaupause. In dieser Zeit soll die Iced Earth-Anlage von der Bühne geschafft, das Gamma Ray-Zeug aufgebaut, und natürlich noch ein kurzer Line-Check gemacht werden. Als ich Dirks Sachen und Jörns Keyboards endlich auf der Bühne habe, zeigt mir Monitor-Chef Ralf Speitel "noch 8 min" an. Allerdings müssen die Drums noch dort vorbeigerollt werden, wo Dirks Boxen stehen sollen... Klappt natürlich nicht und wir überziehen um 5 min. Gamma Ray spielen eine ziemlich gute und auch so ankommende Show, die, mal abgesehen von der Album-Präsentation vor 2 Wochen vor lauter Freunden, Bekannten und Pressefritzen der erste richtige Gig in diesem Line Up, also ohne Ex-Sänger Ralf ist. Kai macht seine Sache sehr gut, man merkt ihm aber an, daß er sich erst wieder an die Frontmann-Position gewöhnen muß. Bis auf "Heading for tomorrow" werden nur Songs vom neuen Album vorgestellt, dafür aber auch die Spielzeit um 5 weitere Minuten überzogen. Dafür fliegt ab morgen "Abyss of the void" aus dem Set, damit "Heading..." nicht so hektisch heruntergespielt werden muß. Danach kommen Grave Digger auf die Bühne, die ich leider aufgrund von Einpack- und Busbeladeaktionen nicht sehen kann. Bei Rage ereilt mich das gleiche Schicksal, und ich sehe nur die beiden letzten Songs. Running Wild liefern eine professionelle Show mit all dem üblichen Pyrogeballer und einem Querschnitt durch Rolfs komplettes Schaffenswerk mit all den Hits, die hier aufzuzählen ziemlich müßig wäre. Rolfs Spieltechnik ist auf jeden Fall faszinierend zu beobachten, seine Gitarre hängt so tief, das er die Saiten gerade eben noch mit der Anschlagshand erreicht. Nicht meine Musik, aber gut. Zu meiner großen Freude treffe ich noch Länglich und Daniel aus der Blind Guardian-Crew, die Band selbst ist leider nicht anwesend. Nachdem eigentlich schon alles fertig eingeladen war, müssen wir noch die Rage-Backline in den Hänger unseres Doppeldeckers einladen. Natürlich ist das Teil hoffnungslos überladen, also einen Teil wieder raus, Rage kriegen ihre Klampfen in den Bus gelegt, Merchandise wandert in den Buskofferraum und ich weiß auch nicht was wir noch alles hin und hergerödelt haben. Schließlich sind wir um 2:30 fertig. Gottseidank hatten wir extrem gute Hands (das sind die örtlichen Helfer, die die eigentliche Buckelarbeit machen), wir standen mit dem Bus nämlich vor der Halle, haben aber alles hinten herausschaffen müssen... Als ich mit Piesel (Kais Guitar-Tech) dann wieder in den Bus komme, sitzen dort Gamma Ray, Grave Digger, deren Crew und Fans und alles ist schon dicht nebelig. Mir heute ein bißchen zu nervig und ich verziehe mich schon um kurz nach 3:00 in mein Bett.

Fr 16-06-1995 SCHWANDORF (bei Regensburg), Oberpfalzhalle

Heute ist alles În bißchen softiger. Jeder hat jetzt so ungefähr den Plan, wie was zu laufen hat, dadurch gestaltet sich alles weniger chaotisch. Doors sind heute auch erst um 17:30 und die ersten Alkleichen können sich ein wenig länger erholen. Backstage sitzt Spiros alleine mit Înem Mini-Marshall und dudelt ein paar Megadeth-Riffs. Nach und nach gesellen sich Kai, Thilo, Uwe Lulis und Sven Fischer dazu, reichen die beiden vorhandenen Klampfen hin und her und starten Îne kleine Jazz-Session mit viel "guck mal hier" und hör' Dir dies mal an". Kreativer Höhepunkt der Tour? Die Shows an sich bieten jedenfalls nicht viel neues, Zeit zum Experimentieren ist allerdings auch kaum. Ich kann heute În bißchen mehr Rage sehen, die übrigens auch ihr Medley von der Anniversary-Scheibe im Set haben. Spiros ist auch Backstage immer präsent und verbreitet immer jede Menge gute Laune. Der "alte Mann" (eigene Aussage), sein Bruder Efti, ist dagegen eher der Ruhige. Rage und Grave Digger tauschen jeden Abend ihre Position im Set, deshalb können Piesel, Django (Rage-Backliner) und ich heute schon um 22:30 Feierabend machen, da wir die Rage-Backline früher einladen können, und auch die chaotische Aktion vom Vorabend entfällt. Die Party im Bus dauert heute ein bißchen länger. Da wir erst spät (bzw. früh) losfahren, kommen die Rager und der Iced Earth-Drummer noch in unseren Bus und feiern kräftig mit.

Sa 17-06-1995 TH†BINGEN, Stefan Hartmann-Halle

Das erste was mir nach dem Aufstehen so gegen 12:00 heute auffällt ist Dr. Dirk Motörhead Schlächter, der die ganze Nacht mit Ruppert, unserem Busfahrer gelabert hat. Ruppert hat dann bei unsere Ankunft ca. um 6:00 Îne Flasche Jack geköpft, und so sieht Dirk jetzt auch aus. Sichtlich frohgelaunt tanzt er mit Înem Bier in der Hand durch die Gegend, nicht allerdings ohne einen verzweifelten Rechtfertigungsversuch, der irgendwie nach "Guck mich nich' so an, ich kann nix dafüäh, hab die ganze Nacht nicht einen Tropfen getrunken bis Ruppert dann die Flasche...". Kurz darauf schnappt er sich seine komplette Bettaustattung aus seiner Koje und legt sich zum Pennen in die Pampa. Al Burge, Iced Earth's Mädchen für alles, baut dann zusammen mit einigen recht früh erschienenen Fans aus einem nahe gelegenen Stapel mit Pflastersteinen eine Art Grabumrandung um Dirk herum, stellt ein Schild mit "Killed by Tour" dazu, und fertig ist die heutige Pilgerstätte. Fortan wird dieser Platz für Musiker, Crew und Fans zu einem Ort höchster Erheiterung, an dem Dirk ohne irgendetwas zu merken in Ruhe kräftig weiterschnarcht. Es entstehen auch viele klasse Fotos... Die Bühne und überhaupt alles ist hier ziemlich klein, und wir müssen die Backline an zwei Seiten aus der Halle schaffen und im Freien wieder auseinander bauen und die Cases verpacken. Hätten wir nicht 2 rollbare Drumriser, wobei einer immer auf der Bühne benutzt wird, während auf dem anderen gerade auf- und abgebaut wird, wäre der Zeitplan sowieso nicht einzuhalten. Die 15 min reichen heute gerade eben so, weil es bei zugezogenem Vorhang doch manchmal zu leichten Verständigungsproblemen mit unserem Frontmischer Jörg kommt. Gamma Ray bleiben heute ob ihres gekürzten Sets sogar 3 min unter der ihnen zugestandenen Spielzeit, planen allerdings gleich, diese Zeit morgen extra hinten dranzuhängen.... Ich kann mir heute endlich mal die komplette Rage-Show ansehen und bin als alter Rage-Fan ziemlich begeistert. Gamma Rays Ex-Sänger Ralf Scheepers ist heute zu Besuch. Nach der Show ist er verständlicherweise ein bißchen geknickt, muß ja auch wirklich ein merkwürdiges Gefühl sein, "seine" Band vom Publikum aus zu sehen. Trotzdem feiert er abends noch mit uns mit, bis er schließlich seinen Kumpel zum Auto tragen muß. Mittlerweile haben sich die meisten dafür entschieden, daß unser Bus (G-Ray & G-Digger) der Party-Bus ist. Die zwei Bands zählen inklusive Crew 18 Nasen, und im eigentlichen Sitzbereich haben wir nur 16 Plätze. Zwar sind vorne bei Ruppert noch 6 Sitze, die sind aufgrund der Abtrennung durch den Vorhang bei Partys allerdings nicht so beliebt. Piesel hat Geburtstag und wir haben Ausnahmsweise mal etwas Bier im Bus. Rage haben sich komplett eingefunden, diverse Fans und Iced Earth Rodney sind auch wieder da, und da wir ja einen Doppeldecker haben, ist die Decke nur so hoch, das man gerade aufrecht stehen kann. Peavy muß sich schon ducken, aufrecht stehen kann aber bald eh keiner mehr. Ich kann Frank Ullrich am anderen Ende des Busses gerade noch durch den Nebel erkennen, wie er gerade im militärischen Ton die Party für beendet erklärt und "alle raus hier oder es gibt auf die Fresse" brüllt (leider niedergeschrieben nicht ansatzweise so witzig wie im Original). Dirk und Uwe spielen ihre Abwandlung vom alten Reinhold-Helge-Spiel und brüllen sich mit "Schlächter" und "Lulis" an. Die 5 nicht in unseren Bus gehörenden Mucker verlassen uns so gegen 4:00 nachts an irgendeiner Raste, während ich mich auch so langsam zur Ruhe begebe. Die ganz Harten feiern weiter, haben ja eine lange Fahrt vor uns.

So 18-06-1995 BERLIN, Neue Welt, Huxleyâs

Wer das Huxleyâs kennt, weiß das die Lage im ersten Stock und der winzige Fahrstuhl nicht gerade die Arbeit vorantreiben. Die Seitentreppen sind auch kein Grund zur Freude, dafür sind der Laden und die Bühne so groß, daß keinerlei Platzstreß entsteht. Da wir eine rund 11ständige Fahrt hinter uns haben, sind besonders die Lichtleute gearscht (sind sie ja eh, immer die Ersten und die Letzten), da sie sich heute besonders beeilen müssen. Wer rechnen kann, und weiß das wir erst um 2:30 in Thübingen losgefahren sind und heute um 18:00 die Türen aufgehen, kann sich eventuell vorstellen, was in dieser kurzen Zeit alles passieren mußte. Während im vorderen Teil der Bühne Harrow und Glenmore spielen, wird im hinteren Bereich noch ausgeleuchtet. Alle die nicht sofort vereinnahmt werden, ziehen sich erst einmal 'n Döner oder 'n Falafel und 'n riesiges Eis aus dem unter dem Huxley's liegenden Eiscafe rein. Jon Schaffer beklagt sich schon kurz nach der Ankunft bei mir über seinen aufgeblähten Bauch und bietet mir den Rest seines Eises an. Trotz seines Ice-Bellys kommen Iced Earth heute wieder hervorragend an. Schade nur, daß Century Media Iced Earth den Tour Support für die Tour mit Rage nicht zahlen wollten, so konnte Jon dieses Jahr mit seinem berühmt-berüchtigten "Ice-Deutsch" nicht so richtig in Fahrt kommen. Wer es kennt, weiß was ich meine und wird diese Wunderwerk der Komik wohl sein Leben lang nicht vergessen. Gamma Ray spielen den besten Berlin-Gig seit Bandgründung. Während eines Dirk-Solos kommen Spiros und Uwe auf die Bühne und halten über Dirk ein Schild mit der Aufschrift "Der Schlächter" hoch. Das alte Schlächter-Lulis-Spiel? Grave Digger spielen sich heute die Wut über den letzten Gig mit Running Wild in Berlin von der Seele, bei dem sie ohne P.A. spielen mußten, weil weiß ich auch nicht. Habâ auf jeden Fall das Video davon gesehen, auf dem Chris zu sehen ist, wie er sein Mikro vor die P.A.-Boxen hält, ohne das ein Feedback entstand. Was immer da lief, Grave Digger waren heute extrem motiviert, was sich auch in der Publikumsresonanz niederschlug. Nach ein paar RuWi Songs wandern die meisten (wie immer in Berlin) ins gegenüberliegende Steppenwolf um laut Sven Fischer "ordentlich abzuschädeln". Irgendwie will aber nicht so richtig Stimmung aufkommen, mag am letzten Tag liegen oder was weiß ich, auf jeden hauen Spiros und ich nach 5 min wieder ab. Bei den Bussen herrscht reger Aufbruch und wildes Umziehen ist angesagt: einige fahren nach Hamburg, ein Bus nach Dortmund usw. Nach wildem Verabgeschiede und Herumgejohle gibt uns dann diese endlos lange Tour wieder dem Alltag zurück, auf das wir wieder besser essen, mehr schlafen und überhaupt gesünder leben wollen.


Jörg Schrör

 

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